Nachfolgend eine von vielen Agenturmeldungen zur Einigung der Koalition beim Thema Bleiberecht. Dazu folgende Anmerkungen:
1) Allem Anschein nach bleibt es bei den bisherigen Fristen (sechs Jahre Familien, acht Jahre Einzelpersonen am 17.11.2006), auch bei den sog. Ausschlussgründen ändert sich nichts
2) Eine Verbesserung gegenüber dem IMK-Beschluss stellt die Ausweitung der Frist (bis September 2009) dar, bis zu der ein Leben ohne öffentliche Mittel nachgewiesen werden muss. Auch die Tatsache, dass eine Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für eine gleichberechtigte Arbeitssuche erteilt wird (wenn auch nur „auf Probe“), ist eine Verbesserung gegenüber dem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17.11.2006.
3) Der Gesetzesentwurf der Koalition beinhaltete bereits eine weitere Ausdehnung der Frist, innerhalb derer Flüchtlinge um ca. 30% gekürzte Sozialleistungen nach dem sog. Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, von drei auf vier Jahre. Die Idee, Bleibeberechtigte Flüchtlinge, die ja einen Mindestaufenthalt von sechs Jahren nachweisen können, von Familienleistungen (wie dem Elterngeld) auszuschließen, ist integrationspolitisch ebenso unsinnig wie die Vorstellung, die vom Bleiberecht begünstigten Flüchtlinge in Lager zu pferchen und ihnen nur Sachleistungen zu gewähren. Wer Integration will, muss auch bereit sein, die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Zu befürchten ist, dass die Bleiberechtsregelung hier mit einer weiteren Verschärfung der Rechtslage erkauft wird. Wie diese genau aussehen wird, ist noch unklar. Denkbar wäre etwa die Einbeziehung von Flüchtlingen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23, 1 AufenthG in den Personenkreis der „Anspruchsberechtigten“ nach § 1 AsylbLG.
4) Es bleibt dabei, dass ein Bleiberecht nur für die Jungen, Leistungsstarken, Gesunden erreichbar ist. Alte, Kriegsverletzte, Kranke oder Schwerbehinderte haben auch nach dem neuen Koalitionskompromiss keine Chance auf ein Bleiberecht, da sie voraussichtlich nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Selbst das niedersächsische Innenministerium räumt ein, dass die theoretische Möglichkeit einer privaten Bürgschaft nicht praktikabel ist, da die Krankenkassen eine Krankenversicherung dieses Personenkreises verweigern und das Krankheitsrisiko privat nicht abgesichert werden kann.
5) Im Ergebnis führt die Bleiberechtsregelung daher voraussichtlich zu einer Selektion nach dem Kriterium der Nützlichkeit: Die Leistungsfähigen bleiben, die Schwachen werden abgeschoben. Zu befürchten ist, dass es in diesem Zusammenhang auch zum Auseinanderreißen von Familien kommen wird. Eine solche Auswahl der vom Bleiberecht begünstigten dürfte zur Folge haben, dass der Gewinn, den die öffentlichen Kassen aus der Einwanderung ziehen, noch gesteigert wird [siehe Online-Fassung]. Erhebliche Zweifel sind jedoch angebracht, ob diese Politik auch mit dem Sozialstaatsprinzip und dem gerade von konservativer Seite immer wieder beschworenen Schutz der Familie im Einklang steht.
gez. Kai Weber
13. März 2007: Einigung auf Bleiberecht für geduldete Ausländer
Im jahrelangen Streit um das Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer haben sich die Spitzen der Koalition in der Nacht zum Dienstag in Berlin geeinigt. Im Kern blieb es bei der Ende vergangenen Jahres von der Koalition verabredeten Regelung für die etwa 180 000 Altfälle. Sie sieht vor, geduldeten Ausländern, die seit mehr als sechs Jahren in Deutschland leben, ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren. Voraussetzung ist jedoch, dass sie bis 2009 eine Arbeit finden. Für die Länder wurde eine ßffnungsklausel bei den Sachleistungen vereinbart. Der Gesetzentwurf soll noch vor Ostern vom Kabinett beschlossen werden.
Wie der schleswig-holsteinische Innenminister Ralf Stegner (SPD) der dpa nach dem Treffen mitteilte, erlaubt die ßffnungsklausel Ländern wie Bayern, die seit dem 1. März an geduldeten Ausländern Sachleistungen vergeben, diese Praxis in eigener Hoheit fortzusetzen. Außerdem sei vereinbart worden, dass das Elterngeld nicht auf diesen Personenkreis angerechnet wird. Die Teilnehmer seien sich einig gewesen, dass mit der neuen Regelung keine zusätzlichen Kosten verbunden sein dürften, so Stegner.
Nach Mitteilung des Bundesinnenministeriums wird der Nachzug von Ehegatten zum Schutze vor Zwangsehen durch ein Mindestalter von 18 Jahren für beide Ehepartner beschränkt. Außerdem müssten einfache deutsche Sprachkenntnisse vorhanden sein. Die Weigerung, an Integrationskursen teilzunehmen, könne künftig sanktioniert werden.
In Unionskreisen wurde unterstrichen, dass es mit der Regelung auch in Zukunft keine volle Aufenthaltserlaubnis für geduldete Ausländer geben werde. Stattdessen bekämen sie lediglich einen “Aufenthalt auf Probe„. Außerdem sei mit der Neuregelung gewährleistet, dass es keine Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme geben werde.
An der Sitzung nahmen neben Stegner auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sowie auf SPD-Seite Vizekanzler Franz Müntefering teil. Einige Unionsgeführte Bundesländer hatten den im November in der Koalition erzielten Kompromiss wieder in Frage gestellt und vor allem Abstriche bei den Sozialleistungen gefordert. (N24.de, dpa)
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