Mehrere Tausend Menschen haben am Sonnabend in der Hamburger Innenstadt friedlich gegen die EU-Flüchtlingspolitik und für ein Aufenthaltsrecht der sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge demonstriert. Neben einem breiten Unterstützerkreis hatten auch Pro Asyl und die Landesflüchtlingsräte zu der Kundgebung aufgerufen. Die rund 10.000 Demonstranten forderten ein Bleiberecht für die 300 afrikanischen Flüchtlinge, die sich seit Mai in der Hansestadt aufhalten. Die Protestaktion ist damit eine der größten der vergangenen Wochen. Der Zug war so lang, dass er beinahe um die ganze Binnenalster herum reichte – ein starkes Signal für den Flüchtlingsschutz und gegen die Ignoranz der europäischen Politik gegenüber dem andauernden Sterben im Mittelmeer.
Die vornehmlich aus Westafrika stammenden Männer lebten und arbeiteten vor ihrer Flucht in Libyen, wo sie nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs der „Kollaboration“ mit dem libyschen Gaddafi-Regime bezichtigt wurden und 2011 über die Insel Lampedusa nach Italien flohen. Im März dieses Jahres kamen sie nach Hamburg, nachdem Italien sie zwar anerkannt und mit einem Aufenthaltsrecht versehen, ihnen eine Wohnung und Existenzsicherung aber verweigert hatte.
Damit ist „Lampedusa in Hamburg“ zu einem Symbol für eine nicht funktionierende europäische Flüchtlingspolitik geworden. Rund 80 der Flüchtlinge haben seit Juni 2013 Unterschlupf in der St. Pauli Kirche gefunden. Die meisten Flüchtlinge, deren befristete Aufenthaltserlaubnis für Italien inzwischen mehrheitlich abgelaufen ist, wehren sich gegen die Forderung der Innenbehörde, ihren Namen zu nennen und ihre Fluchtgeschichte zu erzählen. Sie haben Angst, weil der Hamburger Senat ihnen bislang jede Aufenthaltsperspektive verweigert, und wollen als Gruppe ein Aufenthaltsrecht bekommen. Lediglich 10 bis 15 der in der St. Pauli Kirche untergekommenen Flüchtlinge haben daher den Forderungen des Senats bislang entsprochen. Ein Sprecher der Gruppe erinnerte auf der Demo daran, wer für ihre Flucht nach Deutschland verantwortlich ist, und verlangte eine humanitäre Lösung. Er appellierte an die europäischen Staaten: „Hört endlich auf, in Afrika Kriege zu führen und Waffen zu liefern. Wenn ihr etwas tun wollt, schickt Bildung nach Afrika.“ Diese Kritik unterstützte die Vorsitzende des Flüchtlingsrats, Dr. Gisela Penteker, die in ihrer Rede im Namen der Flüchtlingsräte unter anderem ausführte:
„(…) Niemand bestreitet, dass unser Wohlstand in Europa zulasten der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern gesichert wird. Die Politik stützt korrupte Regime und verkauft ihnen Waffen. Die Regeln des Welthandels zerstören die Lebensgrundlagen in Afrika und anderswo. Die derzeitige Entwicklungshilfe ist ein scheinheiliges dürftiges Mäntelchen, das den Schaden nicht mal verdeckt. Bis sich daran etwas ändert, dauert es viel zu lang, hören wir. Das stimmt, aber jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Bis sich die Bedingungen ändern, werden sich weiterhin viele Menschen auf den Weg machen, ein besseres Leben und Sicherheit für sich und ihre Familien zu suchen. Das ist kein Verbrechen.
Europa muss gefahrenfreie Wege für Flüchtlinge öffnen. Visa müssen eine legale Einreise ermöglichen, die Resettlementverfahren müssen ausgebaut werden. Flüchtlinge müssen aus Seenot gerettet und Schiffsbesatzungen für die Rettung nicht länger bedroht und bestraft werden. Flüchtlinge dürfen in Europa nicht länger hin- und her geschoben werden und auch nicht auf dem Abstellgleis mit Arbeitsverbot, Residenzpflicht und anderen Restriktionen landen.
Wir arbeiten dafür, dass Schutzsuchende in Deutschland und Europa Schutz finden, wie es in der Verfassung garantiert ist, und ein Leben in Würde führen können. Lampedusa in Hamburg und anderswo könnte eine Initialzündung sein.“
(vollständige Rede hier).
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