Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert handfeste Konsequenzen aus Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa
Die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa, bei der wahrscheinlich über 350 Menschen starben, darf nicht ohne politische Konsequenzen bleiben. Das war keine „Naturkatastrphe“ und kein „tragisches Unglück“, sondern das unmittelbare Ergebnis einer Politik, die alles daran setzt, die Flucht von Menschen nach Europa mit polizeilich-militärischen Mitteln zu verhindern. Allenthalben setzt jetzt wieder das Lamento ein über die „Schlepper“, die die Menschen angeblich in ihr Unglück gelockt hätten – als wären Fluchthilfeorganisationen tatsächlich die Ursache und nicht nur ein Symptom des Problems. Es erscheint unfassbar, dass den Flüchtlingen in Seenot über mehrere Stunden nicht geholfen wurde, obwohl sie sich nahe der Küste befanden, eindeutige SOS-Zeichen abgaben, Fischerboote nahe vorbeifuhren und die Meereszone zu den bestüberwachten Wasser-Quadratkilometern der Welt gehören dürfte.
Solange Europa weiterhin Zäune baut, Flüchtlingsboote abdrängt und Fluchthelfer:innen kriminalisiert, wird es weitere Tote im Mittelmeer geben. Statt Kränze abzulegen und Blumen aufs Wasser zu streuen, fordern die Flüchtlingsräte die Einleitung überfälliger politischer Korrekturen auf allen Ebenen:
- Die Verfolgung und Abdrängung von Flüchtlingsbooten durch die berüchtigte Grenzschutzagentur „Frontex“ muss sofort beendet werden. Stattdessen sollte Frontex umgebaut werden in eine Organisation zur organisierten Rettung von Flüchtlingen, die zum nächsten europäischen Hafen zu leiten sind.
- Fischer müssen zur Seenotrettung von Flüchtlingen aufgefordert und unterstützt statt mit Strafverfahren wegen „Fluchthilfe“ überzogen werden, wenn sie Flüchtlinge an die europäischen Küsten bringen
- Im Rahmen einer organisierten Rettungspolitik müssen Flüchtlinge aus Verfolgungs- und Kriegsstaaten wie etwa Syrien oder Eritrea legal die Möglichkeit erhalten, in Europa Schutz zu finden. Die gegenwärtige Aufnahmequote von 5.000 Flüchtlingen, die Deutschland für syrische Flüchtlinge festgelegt hat, ist lächerlich gering. Europa kann und muss jetzt nicht nur eine handvoll, sondern mehrere Hunderttausend Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen.Dem niedersächsischen innenminister Boris Pistorius ist zuzustimmen, wenn er feststellt: „Angesichts der dramatischen Lage – mehr als zehn Prozent aller Syrer sind bereits aus ihrer Heimat geflohen – wäre jede Zahl unter einer Million als immer noch niedrig anzusehen. “ (siehe hier, S. 16 f.)
- Die Länder haben sich dankenswerterweise dazu entschlossen, hier lebenden Syrer:innen die Aufnahme ihrer Angehörigen zu ermöglichen, wenn sie es sich leisten können, diese auch auf eigene Kosten zu versorgen. Dieses Programm muss erweitert werden! Die Aufnahme von Familienangehörigen darf nicht nur Flüchtlingen vorbehalten sein, die reich genug sind, um die Kosten selbst zu übernehmen. In jedem Fall muss die Krankenversicherung von Familienangehörigen durch die Länder gewährleistet werden.
- Nicht nur in Italien, auch in Deutschland werden Flüchtlinge wegen „illegaler Einreise“ oder „illegalen Aufenthalts“ häufig kriminalisiert (siehe hier). Erst jüngst hat die europäische Kommission weitreichende Möglichkeiten geschaffen, neu ankommende Flüchtlinge zur Begrüßung erst einmal zu inhaftieren (siehe hier). Flucht ist kein Verbrechen! Die Strafverfolgung von Flüchtlingen und Unterstützer:innen muss umgehend beendet werden.
gez. Kai Weber
“Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, ehe es zu spät ist!”
Das schrieb die Widerstandsgruppe “Die Weiße Rose” in ihrem 5. Flugblatt Ende Januar 1943.
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