Hearing – Zur Kritik der Altersfestsetzung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

 

““Hemd aus, Hose runter” oder sag mir mal wie alt Du bist”

Am 20.06.2013 fand das Hearing des Kinder-und Jugendprojekts “Weitblick” im Flüchtlingsrat Niedersachsen in den Räumen des Kargah e.V. , Hannover statt.
Auf dem Podium saßen hochkarätige Kritiker der auch in Niedersachsen üblichen Praxis der Altersfestsetzung:

Rechtsanwalt Bernd Waldmann-Stocker aus Göttingen dokumentierte exemplarisch am Fall des afghanischen Flüchtling Reza eindringlich das Verfahren der Altersfestsetzung im Landkreis Göttingen. Er kritisierte sowohl die angewandte Untersuchungsmethodik der Rechtsmedizin als auch die gerichtliche Entscheidungspraxis.
Dr. Winfried Eisenberg, ehemaliger Chefarzt der Herforder Kinderklinik, kam in seinem Beitrag “Röntgen ohne ärztliche Indikation” zu dem Schluß, dass Röntgenuntersuchungen im Rahmen von Gutachten zur Altersfeststellung unzulässig und als Körperverletzung einzustufen seien.
Prof. Dr. Klaus Mohnike, Kinder-und Jugendarzt  der Universitätsklinik Magdeburg, belegte anhand vielfältiger fachmedizinischer Studien die fehlende Wissenschaftlichkeit und Exaktheit der angewandten Methoden.
Thomas Berthold vom “Bundesfachverband – Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge” gab einen Überblick über die Praxis der Altersfestsetzung in ausgewählten Bundesländer bzw. Kommunen. Dabei wurden sowohl besonders rigide Formen der Altersfestsetzung (Hamburg) wie auch kindeswohlorientierte Verfahren wie in Frankfurt erläutert.

In der anschliessenden Diskussion gab es bei den Teilnehmern weitgehend  Konsens darüber, dass die aktuelle Praxis der Altersfestsetzung, eine Gefährdung des Kindeswohls zuläßt. Da in der Mehrzahl der Fälle die Volljährigkeit der jungen Flüchtlinge (50-90%) festgesetzt wird, fallen sie aus der Jugendhilfe. Das bedeutet eine Erschwerung gesellschaftlicher Teilhabe und und eingeschränkte Perspektiven. Deshalb bedarf es einer grundlegenden Veränderung des Verfahrens.

Folgende Forderungen wurden von den Teilnehmern des Hearings entwickelt:
 Abschaffung der forensischen Altersfestsetzung
 Einführung eines kindgerechten Verfahrens
– im Rahmen eines 3-monatigen Clearingverfahrens
– Einbeziehung des individuellen Bedarfs
– Einbeziehung von sozialmedizinischen, pädagogischen und psychologischen Aspekten
 Ende des Generalverdachts der Täuschung über das Alter
 Erklärung des “Good Will” durch die Politik bezüglich der Aufnahme junger Flüchtlinge

Die Ergebnisse des Hearings, ergänzt durch exemplarische Einzelfälle, werden demnächst in einer Broschüre veröffentlicht.

gez. Edda Rommel und Dr. Hans-Georg Hofmeister (ReferentInnen des Projekts Weitblick)

PM_hearing

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