Sehr geehrter Herr Innenminister,
Ihr gegenwärtiges öffentliches Auftreten gegen eine gesetzliche Bleiberechtsregelung auf Bundesebene veranlasst uns, Sie auf diesem Wege nachdrücklich auf die Notwendigkeit einer solchen Regelung hinzuweisen und Sie aufzufordern, sich nicht gegen eine gesetzliche Bleiberechtsregelung zu stellen.
Eine wirksame Bleiberechtsregelung war und ist überfällig und wird seit Jahren angemahnt. Erst nach zahlreichen Protesten und Aktionen für das Bleiberecht,… haben Sie und die Innenministerkonferenz im November 2006 sich in Nürnberg einstimmig zu einem ersten Schritt bewegen lassen. Die Innenministerkonferenz hat sich zu einem allerdings unzureichenden Kompromiss durchgerungen, der zu viele Menschen von einem Bleiberecht ausschließt. Dies belegen die ersten Erfahrungen nach 100 Tagen IMK-Beschluss: So wurde in Niedersachsen erst 69 geduldeten Menschen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt. Der IMK-Beschluss umfasst ebenfalls die Verabschiedung einer gesetzlichen Bleiberechtsregelung als „zweiten Schritt“ im Rahmen des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes. Gegen den nun vorliegenden Gesetzesentwurf der großen Koalition haben Sie Ihren Widerstand angekündigt.
Angesichts des sich abzeichnenden Leerlaufens des IMK-Bleiberechtsbeschlusses ist der zweite Schritt, nämlich die Schaffung einer großzügigen gesetzlichen Bleiberechtsregelung von zentraler Bedeutung.
Eine Bleiberechtsregelung wird nur dann erfolgreich sein können, wenn sie den Kardinalfehler bisheriger Altfallregelungen vermeidet, wo nach der Devise verfahren wurde: „Ohne Arbeit keine Aufenthaltserlaubnis und ohne Aufenthaltserlaubnis keine Arbeit“.
Eine wirksame gesetzliche Bleiberechtsregelung sollte nach unserer Meinung zumindest folgende Kriterien erfüllen: Die Begünstigten sollten keine Verlängerung des rechtswidrigen Status der Duldung, sondern sofort eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Das Bleiberecht darf nicht davon abhängig gemacht werden, ob bereits eine Arbeitsmöglichkeit besteht. Es dürfen keine unrealistischen Anforderungen an die Erfüllung der Mitwirkungspflichten gestellt werden. Außerdem muss klar sein – das ist der wichtigste Punkt -, dass diejenigen, die potenziell unter eine gesetzliche Bleiberechtsregelung fallen, nicht mehr abgeschoben werden.
Wir bitten Sie eindringlich, dafür zu sorgen, dass die Erteilung eines Bleiberechts an Jugendliche nicht von der Ausreise der Eltern abhängig gemacht wird. Regelungen, die einer Sippenhaft gleichkommen, widersprechen dem Prinzip eigenverantwortlichen selbstbestimmten Handelns und sind rechtsstaatlich bedenklich. Der faktische Ausschluss erwerbsunfähiger, alter, kranker und behinderter Menschen vom Bleiberecht, wie er im IMK-Beschluss enthalten ist, darf in eine Regelung auf Bundesebene keinen Eingang finden. Für besonders schutzbedürftige Gruppen, wie unbegleitete Minderjährige, Traumatisierte und Opfer von rassistischen ßbergriffen, müssen andere Anforderungen an die Aufenthaltszeiten gestellt werden.
Eine Verknüpfung der Bleiberechtsregelung mit einer Verschärfung des Aufenthalts- bzw. Asylbewerberleistungsgesetzes hat sich als kontraproduktiv in der Integrationspolitik erwiesen. Das Land Niedersachsen sollte aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Wir bitten Sie daher, Ihren Widerstand gegen die Schaffung einer gesetzlichen Bleiberechtsregelung aufzugeben.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Roth, MdB – Bundesvorsitzende von BßNDNIS 90/DIE GRßNEN
Georgia Langhans – Landtagsabgeordnete
Filiz Polat – Landtagsabgeordnete
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