Rassismus der Mitte in der Lüneburger Heide

Dass Rassismus in Deutschland nicht auf Rechtsaußen beschränkt ist, sondern sich auch in der Mitte der Gesellschaft wiederfindet, hat jüngst die Gemeinde „Undeloh“ im Landkreis Harburg eindrucksvoll unter Beweis gestellt: 29 Flüchtlinge sollen dort eine vorübergehende Heimat finden. Das finden die Undeloher weniger gut. Sie freuen sich zwar über zahlende Fremde, aber nicht über politisch Verfolgte. Und so kamen mehr als 70 Bürger zu einer Ratssitzung und packten alle Vorurteile aus, die man aus früheren Asyldebatten kennt und eigentlich überwunden glaubte. Die Kreiszeitung berichtet von dem Treffen:

„Unsere Gäste wollen hier entspannen und nicht Dunkelhäutige oder Frauen mit Kopftuch sehen!“ – Undelohs Bürgermeister Albert Homann machte am Montagabend nicht einmal den Versuch, ausländerfeindliche Aussagen zu unterbinden. Selbst Sätze wie „Wer schützt unsere Frauen und Kinder vor den Asylanten?“ ließ Homann in einer hitzigen Diskussion zu. Mehr als 70 Einwohner waren in die Gaststätte „Heiderose“ gekommen, um im Zuge einer Gemeinderatssitzung ihren Unmut gegen die vom Landkreis geplante Einrichtung einer Asylbewerber-Unterkunft Luft zu machen. Am Ende stimmte der Gemeinderat einstimmig gegen eine Nutzungsänderung des Hermann-Löns-Cafés in eine Asylantenunterkunft.“

Beklagt wurde darüber hinaus eine mögliche „Wertminderung“ des eigenen Grundstücks. Auch sei eine Unterkunft für Flüchtlinge „dem Fremdenverkehr nicht zuträglich“. Die vom Undeloher Gemeinderat hilfsweise angeführten Gründe, warum Undeloh als Unterkunftsort für Flüchtlinge nicht geeignet ist (Kein Supermarkt, keine Ärzte und Apotheken, kein öffentlicher Nahverkehr), sind durchaus plausibel. Es ist jedoch genau diese Mischung aus paternalistisch-fürsorgerischen Überlegungen und kruder Fremdenfeindlichkeit, die für den Alltagsrassismus in Deutschland so prägend und typisch ist.

In dieser Debatte ist es schwer, sich „richtig“ zu positionieren. Dem ekelhaften Rassismus einer vom Tourismus lebenden, Flüchtlinge aber zur Bedrohung und „Zumutung“ erklärenden Gemeinde Zugeständnisse zu machen wäre fatal. In der Tat sind Flüchtlinge aber nicht gut in einem 400-Seelen-Dorf untergebracht, in denen es keinen vernünftigen ÖPNV-Anschluss und keine Einkaufsmöglichkeiten gibt. Gefordert ist eine Unterbringungspolitik, die die Interessen und Bedürfnisse von Flüchtlingen von vornherein berücksichtigt und darauf achtet, dass eine Isolation in abgelegenen Dörfern vermieden wird.

gez. Kai Weber

Nachtrag: Der Undeloher Verkehrsverein hat sich nun mit einer Erklärung zu Wort gemeldet, die den entstandenen Schaden begrenzen soll. Auch der Gemeinderat hat Stellung bezogen. Seine Behauptung, der Bürgermeister habe diese Klarstellungen bereits unmittelbar auf der Bürgerversammlung vorgenommen, wird allerdings von verschiedenen Beteiligten bestritten. Wie der Panorama-Beitrag vom 19.02.2013 verdeutlichte, hat die Gemeindeleitung den rassistischen Äußerungen eben nicht widersprochen. Immerhin ist es begrüßenswert, dass die Verantwortlichen in Undeloh sich nachträglich unmissverständlich gegen rassistische Positionen artikulieren.

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2 Gedanken zu „Rassismus der Mitte in der Lüneburger Heide“

  1. Traurig traurig, und sie gehen selbstverständlich alle in die Kirche. Die sollte man klar im Dorf lassen…
    Andere Ausländer, aus den deutschen Kolonien im Osten, werden ganz anderes betrachtet. Sie sind ja weiß und christlich zu meist. Wer dieser Alltagsrassismus nicht ausgesetzt wird, der weißt gar nicht wie das ist. Das ist das Schlimmste, ständig von deutschen, weißen Freunden als Wahnwitzige abgestempelt zu werden, wenn man versucht auf die Probleme aufmerksam zu machen. Und die gibt’s überall, Behörde, Schule, Krankenhaus. Ein Alptraum, wenn man auch noch sozial bedürftig ist. Das falsche Gesicht… Pech gehabt, halt. Es geht doch gar nicht um die religiöse Zugehörigkeit, das ist ein trauriger Witz, was da in der Öffentlichkeit abgeht. Es ist einzig und allein das Gesicht, unterm Strich.
    Solidarische Grüße
    Catherine Szczesny

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  2. Zwei kleine, kritische Anmerkungen erlauben Sie mir. Sie schreiben, die Undeloher „freuen sich zwar über zahlende Fremde, aber nicht über politisch Verfolgte“. Ein paar Zeilen weiter ist die Rede von einer vom Landkreis geplanten Asylbewerber-Unterkunft. Also was nun, bitte? Politisch Verfolgte oder Asylbewerber? Asylbewerber sind Menschen, die Asyl unter Berufung auf erlittene oder drohende politische Verfolgung beantragen; als politisch Verfolgte bzw. Asylberechtigte gelten sie erst nach Anerkennung in einem Asylverfahren. Oder sind Sie für alle Asylantragsteller automatisch politisch Verfolgte? Zum Schluss Ihres Artikels schreiben Sie: „Gefordert ist eine Unterbringungspolitik, die die Interessen und Bedürfnisse von Flüchtlingen von vornherein berücksichtigt und darauf achtet, dass eine Isolation in abgelegenen Dörfern vermieden wird.“ Selbstverständlich sollte doch sein, dass bei der Unterbringung von Flüchtlingen sowohl die Bedürfnisse der Flüchtlinge als auch die Bedürfnisse der einheimischen Wohnbevölkerung berücksichtigt werden. Demokratie lebt von Ausgleich und Kompromissen. Das sollte auch einer Flüchtlingslobby-Organisation nicht völlig fremd sein.
    Mit freundlichen Grüßen
    R. Scheurer

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