Fünf Jahre Bleiberechts-Kampagnenarbeit liegen hinter uns, endlich gibt es Licht am Ende des Tunnels: Der Beschluss der Innenminister vom 17. November für ein bedingtes Bleiberecht von faktisch integrierten, aber dennoch seit Jahren aufenthaltsrechtlich nur geduldeten Flüchtlingen und die Ankündigung einer bundesgesetzlichen Bleiberechtsregelung sind wichtige Teilerfolge für die Flüchtlingsbewegung. Zufrieden stellen kann uns das freilich nicht: Ein großer Teil der in Deutschland nur Geduldeten wird weiterhin in Angst vor einer Abschiebung leben, weil sie die Bedingungen nicht erfüllen. Für die von der neuen Bleiberechtsregelung profitierenden Flüchtlinge steht die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unter der Voraussetzung ihrer ökonomischen „Nützlichkeit“. Heinrich Freckmann fasst in seinem Beitrag zusammen, wem die Regelung gilt und wem nicht.
Auch nach der Innenministerkonferenz gibt es Gründe genug, die Integration von Flüchtlingen zum Schwerpunktthema dieser bundesweiten gemeinsamen Zeitschriftenausgabe der Landesflüchtlingsräte in Deutschland, die in Niedersachsen als Ausgabe des Magazins DER FLßCHTLINGSRAT erscheint, zu machen. Leider werden die normierten und administrativen Hürden in der Integrationsdebatte weitgehend ausgeblendet, monieren Anke Immenroth und Kai Weber in ihrem Beitrag. Sophia Engelberts legt dar, wie in den Integrationskonzepten der Bundesländer Asylsuchende und geduldete Flüchtlinge ignoriert werden. Was Ausgrenzung und Isolation für einen Flüchtling bedeutet, der aus einem Terrorstaat geflohen ist und sich hier integrieren will, beschreibt Karim Al-Wasiti im Gespräch mit Bastian Wrede.
Dr. Gisela Penteker beleuchtet die Funktionalität und Dynamik häuslicher Gewalt in Migrantenfamilien, ohne sie zu verharmlosen oder zu relativieren. Sie macht indes deutlich, wie die Politik der Desintegration die Probleme verschärft.
Auch im Bereich der Bildung und Ausbildung sind verschiedene Formen der Ausgrenzung von Flüchtlingen zu beklagen. Joachim Schröder beklagt, dass die Vorrangstellung des Aufenthaltsrechts in Deutschland ein grenzüberschreitendes, freiheitliches und soziales Bildungsrecht für alle verhindert. Frauke Sonnenburg beanstandet die mangelnde Förderung von Flüchtlingskindern, selbst wenn diese der Schulpflicht unterliegen und formal gleichgestellt sind. Bewundernswert ist, wie Hassan Abdal-Rahman trotz vielfacher Restriktionen und Hindernisse um eine Ausbildung kämpft.
Wie Flüchtlinge durch Arbeitsverbot und weitere administrative Auflagen regelmäßig gehindert werden, ihren Lebensunterhalt selbst zu erwirtschaften, kritisiert Wulf Jöhnk in seinem Beitrag. Karin Loos legt dar, dass diese Politik nicht nur eine nachhaltig schädigende Wirkung auf Menschen ausübt, sondern auch hohe Folgekosten verursacht. Die Diskriminierung von Flüchtlingen passiert freilich nicht nur durch formale Einschränkungen des Arbeitsmarktzugangs: Dr. Anwar Hadeed weist nach, dass Flüchtlinge auch dann signifikant benachteiligt werden, wenn sie rechtlich formal gleichgestellt sind.
Flüchtlinge wohnen nicht. Im Kapitel Unterbringung beschreiben die Beiträge von Martin Link und Sigmar Walbrecht die Politik der ausgrenzenden „(Lager)Unterbringung“. Birgit Behrensen und Verena Groß beleuchten die gesundheitlichen Folgen einer bundesweit zunehmend praktizierten Lagerunterbringung für Flüchtlinge.
Eine Reihe von Beispielen dokumentiert das Lebensgefühl und den Kampf der Geduldeten in Deutschland und ihrer Unterstützer/innen für eine menschenwürdige Lebensperspektive in Deutschland. Fanny Dethloff macht deutlich, dass das Kirchenasyl auch nach einem Bleiberecht für Geduldete eine wichtige Bedeutung für den Schutz bedrohter Menschen behalten wird.
Beiträge von Martin Link und Karin Leukefeld zur katastrophalen Situation im Irak schließen die Zeitschrift ab. Es ist unfassbar, dass das Bundesamt dennoch ungerührt Widerrufsverfahren gegen tausende irakische Flüchtlinge durchführt, und dass die Innenminister jetzt mit der Abschiebung in dieses Bürgerkriegsland beginnen wollen. Der Flüchtlings- und Menschenrechtslobby wird die Arbeit so schnell nicht ausgehen.
Angelika von Loeper, Martin Link und Kai Weber