Der Kampf um das Bleiberecht geht in die nächste Runde. Nach dem mehr als unbefriedigenden IMK-Beschluss vom November ist absehbar, dass der neue Koalitionskompromiss der Bundesregierung zwar unter anderem die Frist zum Nachweis einer Arbeit bis Ende 2009 verlängert, aber ebenfalls eklatante Schwächen hat: Alte, Kriegsverletzte, Kranke oder Schwerbehinderte bleiben vom Bleiberecht ausgeschlossen, und an der Praxis der „Kettenduldungen“ wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Das ernüchternde Zwischenergebnis eines langen Kampfes: Von den rund 22.000 in Niedersachsen geduldeten Flüchtlingen haben bislang nur etwa 500 ein Bleiberecht erhalten.
Blickt man über die Bleiberechtsthematik hinaus auf das flüchtlingspolitische Geschehen, stellt man fest, dass das Erreichen von Schutz und Asyl in Europa immer schwieriger wird: Meterhohe Stacheldrahtzäune in Melilla und Ceuta, überfüllte Elendslager und tausende ertrunkene oder verhungerte Flüchtlinge im Mittelmeer zeugen von der Realität der Festung Europa. Die Verantwortung für Flüchtlingsschutz wird von unseren Regierungen zunehmend an östliche EU-Anrainerstaaten oder nordafrikanische Länder verkauft, in denen sich niemand wegen Menschenrechtsverletzungen rechtfertigen muss. Gerade noch 21.029 Menschen haben in Deutschland im letzten Jahr Asyl beantragen können “ der niedrigste Stand seit 1977.
Ein wachsender Anteil der Asylanträge wird dabei überhaupt nicht mehr inhaltlich geprüft: Rund ein Viertel aller Flüchtlinge wird im Rahmen des sogenannten „Dublinverfahrens“ auf die europäischen Nachbarländer verwiesen und abgeschoben. Nur knapp 2.000 Asylsuchende (6,4 %) haben im letzten Jahr Flüchtlingsschutz oder ergänzenden Abschiebungsschutz erhalten. Gleichzeitig wurde über viermal so vielen Flüchtlingen (8.000) ihr Flüchtlingsschutz wieder weggenommen, weil eine politische Verfolgung angeblich nicht mehr droht. Allein 18.000 Widerrufe trafen in den letzten drei Jahren irakische Flüchtlinge.
Dies alles zeigt: Die Politik der Fluchtverhinderung und Abschottung gegen Flüchtlinge ist vielfältig und oft auch erfolgreich: Hat sich unser Mandat zur Unterstützung von Flüchtlingen deshalb mittelfristig erledigt? Wir meinen nein und sehen für die Zukunft “ neben der Durchsetzung eines Bleiberechts für Geduldete “ folgende Aufgaben:
- Verbesserte Unterstützung für Flüchtlinge, die aktuell nach Niedersachsen fliehen: Wenn sie in Lagern isoliert und ausgegrenzt werden, entstehen weniger Nachbarschaftskontakte, stattdessen blühen ßngste und Vorurteile in der näheren Umgebung.
- Rückendeckung und Hilfe für Flüchtlinge und Migranten/innen, die mit prekärem Aufenthaltsrecht in Deutschland leben. Dabei geht es um Widerrufsopfer, aber auch Studierende, Familienangehörige oder auch Arbeitnehmer/ innen können betroffen sein. Eine Rückkehr ist in vielen Fällen unverhältnismäßig und menschenunwürdig.
- Internationale Zusammenarbeit: Wenn die europäischen Staaten in Ihrem Bestreben nach Fluchtverhinderung „Kontaktbeamte“ austauschen und sich über Ländergrenzen hinweg koordinieren “ warum sollte das nicht auch der Flüchtlingsbewegung, zum Beispiel durch Hospitationen und Praktika, möglich sein?
Dass die Zusammenarbeit zumindest über Bundesländergrenzen hinweg funktioniert, zeigt das vorliegende Heft, das vom Flüchtlingsrat Niedersachsen und PRO ASYL gemeinsam herausgegeben wird.