Neues zur Abschiebung von Serdana B.

Unsere Recherchen zum Schicksal der 16-jährigen Serdana B., die am 29.09.2009 ohne Begleitung der Eltern oder sonstiger Vertrauenspersonen aus dem Landkreis Emsland in das Kosovo abgeschoben wurde, haben Folgendes ergeben:

1. Serdana hat im Kosovo tatsächlich keine Angehörigen (mehr). Sie wurde von einem entfernten Verwandten in Prishtina abgeholt und von dort nach Serbien gebracht. Bei diesem Verwandten handelt es sich um den Bruder der Stiefschwester der Mutter des Kindes. Die Stiefschwester hatte mit ihrem Mann das Mädchen in Deutschland betreut und nach Kenntnis der Abschiebung ihren Bruder telefonisch informiert.

2. Die Rolle der kosovarischen Behörden erschöpfte sich im Wesentlichen darin, die Herkunft der Betroffenen aus dem Kosovo zu verifizieren. Wörtlich teilte uns die deutsche Botschaft auf Anfrage mit: „Das Innenministerium der Republik Kosovo ( Department for Border, Asylum and Migration, DBAM) hat auf der Grundlage der UNMIK „Readmission Policy“ die Herkunft von Serdana Begesi aus dem Kosovo verifiziert und keine Bedenken gegen eine Rückführung in den Kosovo erhoben.“

3.  Die Abschiebung der Serdana B. wurde vom Landkreis Emsland eingeleitet, obwohl Serdana den Behörden bereits im August 2008 mitgeteilt hatte, dass ihre Eltern sich nicht mehr im Kosovo befänden und auf der Flucht seien (siehe Bestätigung Municipality of Mitrovica). Diese Aussage hielt der Landkreis Emsland für unglaubwürdig und berief sich zur Begründung dafür, dass sich die Eltern entgegen den Aussagen von Serdana im Kosovo befänden, auf die o.g. Auskunft der deutschen Botschaft. Das URA-Rückkehrprojekt des BAMF teilte uns dagegen auf Nachfrage mit: „Nach unseren Nachforschungen hat die Familie früher in Vushtrie gelebt, seit einigen Jahren soll die Familie aber in Serbien leben.“ Eine ßberprüfung des tatsächlichen Aufenthalts der Eltern im Kosovo durch den Landkreis Emsland erfolgte offenkundig nicht.

4. Im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung der Abschiebung hat das Wohl des Kindes offenkundig nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Weder das Jugendamt noch der auf Antrag des LK Emsland durch das Vormundschaftsgericht bestellte Ergänzungspfleger, der selbst früher beim Landkreis Meppen als Vertreter des OKD und Kreisverwaltungsdirektor tätig war, haben sich für das Wohl des Mädchens stark gemacht. In einer Stellungnahme an das Verwaltungsgericht befürwortete der Erganzungspfleger die Abschiebung von Serdana B. Er war auch nicht bereit, eine Vollmacht an eine Anwältin zu erteilen, die durch die Verwandten von Serdana B. beauftragt wurde, einen Eilantrag gegen die Abschiebung einzureichen. Das letzte Rechtsmittel gegen die Abschiebung hat der Ergänzungspfleger auf diese Weise vereitelt.

5. Weder das URA-Rückkehrprojekt des BAMF noch sonst eine deutsche Behörde hatte bislang eine Ahnung davon, in wessen Obhut Serdana übergeben wurde. Wörtlich schreibt URA, das Mädchen sei „in die Obhut der kosovarischen Behörden und des UNHCR gegeben“ worden, und man gehe davon aus, dass sich die Personen, die Serdana abgeholt haben, „gegenüber den kosovarischen Behörden (DBAM) entsprechend ausgewiesen haben.“ Mit derartigen spekulativen Erwägungen werden die deutschen Behörden ihrer Verpflichtung, das Wohl von Serdana zu gewährleisten und „vorrangig zu berücksichtigen“ (Artikel 3 KRK), offenkundig nicht gerecht.  „Die Vertragsstaaten treffen alle Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenzufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen“, heißt es in Artikel 19 KRK. Artikel 20 legt fest, dass Kinder, die vorübergehend oder dauerhaft aus ihrer familiären Umgebung herausgelöst sind, Anspruch auf „den besonderen Schutz und Beistand des Staates“ haben.

6. Wir werden im Kontakt mit den Pflegeeltern der Frage weiter nachgehen, bei wem Serdana sich jetzt aufhält, schon um auszuschließen, dass Serdana nicht in die Hände von Frauenhändlern geraten ist. Die Angst vor sexuellem Missbrauch war schießlich die Begründung für ihren Asylantrag.

gez. Kai Weber

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