Die Unterstützer/innen der in der Nacht vom 20. auf den 21. August vom Landkreis Stade abgeschobenen Familie von Gani Fazlijaj und Sultane Bajrami mit ihren beiden Kleinkindern im Alter von einem und drei Jahren (siehe Buxtehuder Tageblatt vom 24.08.2012) geben nicht auf: Sie kämpfen weiterhin für eine Rückholung der Familie nach Buxtehude. Am 8. Oktober traf der Kreisausschuss einen einstimmigen Beschluss für die Ermöglichung einer Rückkehr (bei Enthaltung durch die Vertreter/innen der CDU sowie der Freien Wählergemeinschaft, siehe Buxtehuder Tageblatt vom 10.10.2012). Wörtlich heißt es in dem Beschluss:
„Der Landkreis Stade fordert den Ministerpräsidenten und Innenminister des Landes Niedersachsen eindringlich auf, der in den Kosovo abgeschobenen Familie Fazlijaj/Bajrami die Möglichkeit zu geben, wieder in ihre Heimat, den Landkreis Stade, wo sie aufgewachsen und integriert sind, zurückzukommen. Die Kreisverwaltung wird aufgefordert, die Landesaufnahmebehörde in Kenntnis zu setzen, dass der Landkreis Stade, sofern keine Sicherheitsaspekte widersprechen, keine nächtlichen Abschiebungen von Familien wünscht.“
Das Innenministerium erklärte daraufhin, eine Rückkehr sei „nicht möglich“. Dem widersprach der FDP-Kreistagsabgeordnete und Rechtsanwalt Rudolf Fischer, der darauf hinwies, dass das Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit einer Aufnahme „aus dringenden humanitären Gründen“ sehr wohl vorsehe. Aus Fischers Sicht liegen diese humanitären Gründe aufgrund der Erkrankung des Sohnes der Familie vor. Der Beschluss des Kreisausschusses dürfe nicht von der CDU unterlaufen werden, so Fischer. „Es sollten sich vielmehr alle Kräfte für die Rückkehr der abgeschobenen Familie aus humanitären Gründen einsetzen und deutlich machen, dass auch im Landkreis Stade Menschen aus dem Ausland willkommen sind und ihre neue Heimat finden können“ (siehe Buxtehuder Tageblatt vom 14.10.2012). Dass die im Landkreis Stade lebenden Flüchtlinge und Migrant/inn/en sich im Landkreis Stade nicht wirklich angenommen und akzeptiert fühlen, machte zuletzt die Einbürgerungsfeier des Landkreises deutlich: Von den 119 eingeladenen, frisch eingebürgerten Deutschen, darunter auch enge Verwandte der Familie Fazlijaj, kamen nur ganze fünf (siehe Buxtehuder Tageblatt vom 05.10.2012).
Das Buxtehuder Tageblatt hat in seiner online-Ausgabe vom 14.10.2012 der Debatte über den Fall der Familie breiten Raum gewidmet. Die Zeitung berichtet über die perspektivlose Situation der Familie im Kosovo (siehe hier) und lässt ausführlich den Landrat sowie das niedersächsische Innenministerium zu Wort kommen, die eine angebliche Zwangsläufigkeit des behördlichen Handelns begründen und eine Rückkehrperspektive für die Familie verneinen. In ihrem Kommentar spricht das Buxtehuder Tageblatt denn auch von einer menschlichen Tragödie nach Recht und Gesetz.
Doch damit wollen die Unterstützer/innen sich aber nicht abspeisen lassen. In Ihren Anmerkungen schreiben Wolfgang und Barbara Ehrhadt-Gessenharter zusammenfassend: „Die beiden Texte vom Landrat und vom Innenministerium setzen eine Serie fort, die immer nach demselben Muster gestrickt ist: Es werden aus den Gesetzen Handlungen der Behörde abgeleitet, die dann als alternativlos ausgegeben werden und zu weiteren zumeist negativen Konsequenzen führen. Dass die Behörde keine offensichtlichen juristischen Fehler begeht, setzen wir als selbstverständlich voraus. An Menschenwürde orientiertes Verhalten einer Behörde bedarf aber weit mehr, nämlich der Auslotung von Ermessensspielräumen, die gerade auch im behördlichen Bereich fast immer vorhanden sind. Der Gesetzgeber sieht gerade deshalb Ermessensspielräume vor, damit im Einzelfall im Sinne unserer Grundwerte angemessen entschieden werden kann.“
Die Stellungnahme verdeutlicht, dass die Behörden im Landkreis Stade eben nicht die Ermessensspielräume genutzt haben, die bestanden hätten, um der Familie einen Verbleib im Bundesgebiet zu ermöglichen. „Es geht hier … um das Verhältnis von Legalität und Legitimität. Sowohl Herr Roesberg wie auch das Innenministerium betonen ständig, dass alles nach Recht und Gesetz gelaufen sei. Dennoch wissen sie genau, dass weite Teile der Öffentlichkeit das Hierbleiben der Familie als legitim und die Abschiebung der Familie als nicht legitim ansehen.“ Eindrücklich erläutert Professor Gessenharter in einem Gastbeitrag über das Verhältnis von Legalität und Legitimität im Verwaltungshandeln im Buxtehuder Tageblatt vom 04.10.2012, dass die Verwaltung im Rahmen der Ausübung bestehender Gesetze erhebliche Ermessensspielräume hat, die sie nicht immer im Sinne der Menschenrechte nutze: „So kann wohl kaum der Würde eines kleinen Jungen entsprechen, wenn man ihn in eine Welt abschiebt, in der ihm alles völlig fremd und nach vielfältigen Aussagen, zum Beispiel von Unicef, keine Hilfe vorhanden ist, seine Krankheit zu behandeln.“
Unter Hinweis auf das kranke Kind Ilias, das im Kosovo derzeit nicht angemessen behandelt werden kann, fordern die Unterstützer/innen weiterhin eine Rückholung der Familie. Sie verweisen auf den letzten UNICEF-Bericht, in dem darauf hingewiesen wird, dass insbesondere für Kinder Bildung und gesundheitliche Versorgung kaum oder gar nicht gewährleistet ist, und verweisen darauf, dass UNICEF zufolge Rückführungen von Kindern aus Roma-, Ashkali- und Ägypter-Familien aus Deutschland in den Kosovo nur erfolgen sollten, „wenn die Auswirkung auf das Wohl des Kindes im Einzelfall überprüft wurde. Zwangsweise Rückführungen sollten unterbleiben.“ In Infos zum Rückholbegehren erläutert Barbara Erhardt-Gessenharter, wie eine Rückholung konkret begründet und ermöglicht werden könnte. Auch die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat erklärt: „Selbstverständlich ist eine Wiedereinreise der Familie nach geltendem Recht
möglich. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) selbst hat vor kurzem eine bereits abgeschobene Familie in den Landkreis Nienburg aus humanitären Gründen wiedergeholt.“ Allerdings habe der Innenminister nur auf Druck der Gemeinde gehandelt. Wäre das Engagement der Bürger und der Politik nicht gewesen, wäre die Familie noch heute nicht zu Hause (siehe Buxtehuder Tageblatt 15.10.12).
siehe auch: HAZ 22.10.2012
Unter der CDU-Regierung dürfen sich Politiker wie Herr Schünemann austoben und dem angeblichen Geist des Gesetzes GEltung verschaffen. Die Abschiebung der Familie ist verfassugnswidrig und für das Land und den Staat eine Schande. Die Familie möge sofort zurückkehren