Flüchtlingsrat verurteilt Abschiebung eines bereits jahrelang arbeitenden Ivorers

Neue Härte gegen Geflüchtete führt zu unmenschlicher Abschiebung nach Elfenbeinküste durch die Stadt Hannover. 

Die „Rückführungsoffensive“, die die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angedroht hat und die die Länderchef:innen und die Bundesregierung auf der Ministerpräsident:innen-Konferenz im Juni noch einmal bekräftigt haben, soll offensichtlich wider jede Vernunft mit aller Härte durchgesetzt werden. Die am 26.06.2024 durchgeführte Abschiebung des fast fünf Jahre in Deutschland lebenden Geflüchteten Th. F. aus der Elfenbeinküste, der seinen Lebensunterhalt seit Jahren durch Arbeit, zuletzt in einem internationalen Technologiekonzern, selbst finanzierte, lässt dies befürchten. Dass mit der Landeshauptstadt Hannover eine der Kommunen für die Abschiebung verantwortlich ist, die sich für Bleibeperspektiven  im Rahmen des gemeinsam mit dem Flüchtlingsrat umgesetzten Projekts „Wege ins Bleiberecht“ einsetzt und langzeitgeduldete Schutzsuchende dabei unterstützt, im gesetzlichen Rahmen ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, bedauern wir. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen kritisiert, dass nicht alle Möglichkeiten zur Erlangung eines Bleiberechts ausgeschöpft wurden.

„Die Inhaftierung und Abschiebung des Mannes widerspricht dem gemeinsamen Ziel, lange Zeit geduldete Menschen, die Teil der Gesellschaft geworden sind, bei dem Weg in ein Bleiberecht zu unterstützen. Es hätte sich im Rahmen des gesetzlichen Ermessensspielraums der Ausländerbehörde eine menschlichere und für alle befriedigendere Lösung finden lassen. Wir befürchten, dass die Abschiebung von Herrn F. das Ergebnis populistischer Politik ist, die Forderungen von Hardlinern bedient“, bewertet Caroline Mohrs den Vorgang.

Ein von F. in 2019 gestellter Asylantrag wurde im Mai 2022 abgelehnt. Die Klage dagegen war vor dem Verwaltungsgericht erfolglos. Der Aufenthalt von F. wurde aber weiterhin geduldet, da auf Grund fehlender Passdokumente eine Abschiebung nicht durchgeführt werden konnte. Die Arbeit wurde Herrn F. weiterhin erlaubt. Frühzeitig hatte sich F. um Arbeit bemüht und war deshalb schon 2019 erstmalig in Beschäftigung. Die dem Flüchtlingsrat vorliegenden Dokumente belegen, dass F. mindestens seit Mai 2022 bis zum Tag seiner Festnahme durchgängig in Arbeit war. Bei seinem letzten Arbeitgeber hatte er im November 2022 begonnen und sollte dort auch weiter in Vollzeit beschäftigt bleiben. Warum die Ausländerbehörde den Geflüchteten in Abschiebungshaft nahm, obgleich dieser einer Arbeit nachging, selbst seinen Pass besorgt und diesen in dem Glauben der Ausländerbehörde vorgelegt hatte, ein Aufenthaltsrecht zu erhalten, ist nicht nachvollziehbar.

Nach Auffassung des Flüchtlingsrates erfüllte F. die gesetzlichen Voraussetzungen für eine den Aufenthalt sichernde Beschäftigungsduldung. Diese verlangt u.a. den Besitz einer Duldung seit mindestens zwölf Monaten sowie eine Beschäftigung von zwölf Monaten, mit der der Lebensunterhalt gesichert wird. Die zuständige Ausländerbehörde sah dies jedoch anders: Da der Reisepass am 18. Oktober 2023 ausgestellt wurde, argumentierte die Ausländerbehörde, die Duldung sei rückwirkend zu diesem Datum „erloschen“.  Damit sei eine wesentliche Voraussetzung für eine Beschäftigungsduldung nicht erfüllt, nämlich der durchgängige Besitz einer Duldung seit mindestens zwölf Monaten. Dieser Argumentation schloss sich das Verwaltungsgericht Hannover an und lehnte den kurzfristig gestellten Eilantrag ab. Die Ausländerbehörde hatte in Fs. Duldung eingetragen: „Die Duldung erlischt, wenn Ihnen ein Pass oder Passersatz ausgestellt wird […]“.

Die Duldung im Nachhinein abzuerkennen und mit dieser Begründung die Erteilung einer Beschäftigungsduldung für Herrn F. abzulehnen, erscheint dem Flüchtlingsrat rechtlich mindestens strittig, in jedem Fall jedoch als äußerst restriktive Auslegung des gesetzlichen Voraussetzungen. Unklar bleibt zudem, ob zu diesem Zeitpunkt nochmals abschließend geprüft wurde, ob nicht andere Duldungsgründe vorlagen.

„Wir halten diese Entscheidung für nicht gerechtfertigt gegenüber Herrn F., der trotz bester Integration und Mitwirkung bei der Passbeschaffung mit der Abschiebung und zusätzlich mit der erniedrigenden Erfahrung des Ausreisegewahrsams bestraft wurde. Es ist absurd, dass ein Mensch, der hier seit Jahren einer Arbeit nachgeht, seinen Lebensunterhalt verdient, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlt, aus der Gesellschaft gerissen wird. Wo ist da ein öffentliches Interesse an einer Abschiebung zu erkennen? Soweit ein Bleiberecht in Betracht kommt, sollten Personen dabei unterstützt werden, dieses zu erhalten. Eine Abschiebung als Reaktion auf die erfolgte gute Kooperation mit den Behörden ist das falsche Signal. Wir fordern die Landeshauptsstadt auf, die Rückkehr von Th. F. nach Hannover zu ermöglichen“, kommentiert Caroline Mohrs vom Flüchtlingsrat die Abschiebung von F.

Um solche Abschiebungen in Zukunft zu verhindern, erwarten wir, dass Ermessensspielräume zu Gunsten der Betroffenen genutzt werden. Auch Arbeitgeber:innen werden durch solche gnadenlosen Abschiebungen verunsichert und fragen sich, ob sie angesichts des Risikos einer Abschiebung geflüchtete Personen in prekärer Aufenthaltssituation überhaupt einstellen sollen.

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