Debatte um den Vorschlag des ehemaligen Verfassungsrichters Mahrenholz: Runder Tisch zur Abschiebungspolitik in Niedersachsen

Das Schreiben des früheren Verfassungsgerichts-Vizepräsidenten Ernst-Gottfried Mahrenholz an den Landtagspräsidenten Hermann Dinkla (CDU), in dem er die Abschiebungspolitik des Landes Niedersachsen heftig kritisiert und einen Runden Tisch fordert, liegt uns inzwischen in Kopie vor, siehe Link unten. Herr Dinkla hat sich daraufhin nicht etwa an den Ältestenrat des Parlaments, sondern an den niedersächsischen Innenminister gewandt, welcher vermutlich kein Interesse hat, seine Abschiebungspolitik am Runden Tisch zur Disposition zu stellen. Auf die Antwort des Landtagspräsidenten an Herrn Mahrenholz darf man dennoch gespannt sein.

gez. Kai Weber

HAZ 02.03.2011: Zuspruch für rundem Tisch zu Abschiebungen

Hannover (mbb). SPD und Grüne haben den Vorschlag des früheren Verfassungsgerichtsvizepräsidenten Ernst-Gottfried Mahrenholz begrüßt, in Niedersachsen einen runden Tisch zur Abschiebungsproblematik einzurichten. Mahrenholz hat sich mit dieser Bitte an Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU) gewandt, der „als herausragender Vertreter des Volkes“ sich des Problems annehmen sollte. „Es stünde dem Herrn Landtagspräsidenten wohl an, den Schutz von Menschen zu thematisieren, die von der Abschiebung bedroht sind, und mit humanem Beispiel voranzugehen“, sagte die SPD-Abgeordnete Silke Lesemann. „Der Appell an den Landtagspräsidenten sollte wachrütteln“, meinte Filiz Polat von den Grünen. Auch in der FDP gibt es Unbehagen über die derzeitige Abschiebepraxis. Manche wünschen, dass das Innenministerium den jeweiligen Landkreisen, in denen Geduldete leben, mehr Spielraum lässt.

Auch die Praxis der Abschiebung ohne Vorankündigung führe zu vermeidbaren menschlichen Härten, hieß es.

HAZ 01.03.2011: Einspruch gegen Abschiebungen

Hannover. Abschiebungen am frühen Morgen ohne Vorankündigungen, das Auseinanderreißen von Familien – für den früheren Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ernst Gottfried Mahrenholz, sind dies unerträgliche Zustände. Die Umstände der vor vier Wochen vollstreckten Abschiebung der kurdisch-jesidischen Familie Naso im Landkreis Hildesheim haben den Verfassungsrechtler nach eigenen Worten besonders empört. In einem Brief fordert Mahrenholz jetzt Landtagspräsident Hermann Dinkla (CDU) auf, sich des Themas Abschiebung anzunehmen. Die Art und Weise, wie hier gehandelt werde, berühre „das Ansehen des Landes“, schreibt Mahrenholz.

Im Fall der Familie Naso waren der 62-jährige Vater sowie ein 16-jähriger Sohn nach Syrien abgeschoben worden, wo sie derzeit nach Auskunft des Flüchtlingsrates inhaftiert sind. Die Mutter und eine 18-jährige Tochter blieben im Kreis Hildesheim. Der Sohn war auch aufgrund schlechter Schulnoten abgeschoben worden – für Mahrenholz ein unerhörter Vorgang. Er schreibt an den Landtagspräsidenten, die Abschiebungen verletzten sowohl in der Sache wie in der Form die Würde des Menschen. „Sie haben entgegen dem strikten Verfassungsgebot, dass Familie unter staatlichem Schutz steht, Familien auseinandergerissen, und sie geschahen ohne die hinreichende Vergewisserung, dass der Staat, in den abgeschoben wird, die Personen nicht inhaftiert oder hilflos lässt.“

Der Landtagspräsident sollte „als herausragender Vertreter des Volkes“ sich der Sache annehmen und einen runden Tisch einrichten, schlägt Mahrenholz vor. Dieser könnte Richtlinien entwerfen. Landtagspräsident Dinkla ließ gestern erklären, bevor er hierzu Entscheidungen treffe, wolle er mit dem Innenministerium und anderen über den Vorschlag reden.

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