Eva Weber von der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration e.V. war im Juni im Kosovo und hat dort abgeschobene Roma-Flüchtlinge getroffen. Wir dokumentieren hier vorab ein Interview mit zwei jungen Männern, die nach ihrer Abschiebung aus Deutschland nun bei Djakovica (Gjakova) leben:
Leonard:
Er ist heute 22 Jahre alt und war 1994 mit seinen Eltern und Geschwistern im Alter von 6 Jahren nach Deutschland (Bremervörde) gekommen. Leonard war ein relativ guter Schüler, er strahlt eine sanfte Ruhe aus, spricht zurückhaltend und überlegt, ist eher das Gegenteil seines impulsiven Freundes Astrit.
Mit 18 Jahren heiratete er eine deutsche Sintezza, die da allerdings erst 15 war, weshalb es keine standesamtliche Trauung gab. Der Sohn des Paares wurde 2007 geboren. Dennoch wurde Leonard im Juni 2008 zusammen mit seiner Mutter abgeschoben. Diese heiratete nach der Abschiebung ins Nichts sehr schnell darauf einen anderen Mann, so hatte sie zumindest eine Unterkunft, um den Preis der Trennung von ihren Kindern. Leonard zog mit seinem 3 Monate später abgeschobenen Bruder und dessen Frau und 3 Kindern im Roma-Viertel in Brekoc in ein leerstehendes Haus. Dem Besitzer müssen sie Miete von monatlich 100 € zahlen.
Leonards Frau in Deutschland heißt Jacqueline, sie wartet noch immer auf Leonards Rückkehr. Wegen der damals minderjährigen Mutter erhielten ihre Eltern das Sorgerecht für den Jungen. Der kam mit einem „Klumpfuß“ zur Welt und ist bis heute gehbehindert. Mit seiner Schwiegermutter sei Leonard gleich nach der Geburt beim Jugendamt in Bremervörde gewesen, sie hätten beantragt, das Sorgerecht zwischen den Großeltern und dem Vater aufzuteilen. Vom Jugendamt habe man das verweigert mit der Begründung, der Vater sei nur geduldet, daher stünde ihm kein Sorgerecht zu! Leonard lebte aber mit Jacqueline und dem Sohn zusammen. Dennoch wurde er im Juni 2008 abgeschoben, der RA konnte angeblich nichts machen!
Jacqueline besuchte ihren Mann im Kosovo und wurde erneut schwanger. Die kleine Tochter wurde im Herbst 2009 geboren. Seitdem ist Leonard Vater von zwei deutschen Kindern.
Der Rechtsanwalt erreichte zumindest eine nur 2-jährige Befristung der mit der Abschiebung verbundenen Wiedereinreisesperre. Die Sperrfrist ist jetzt vorbei. Aber Leonard kennt niemand, die/der ihn einladen könnte, damit er nun wenigstens mit Besuchsvisum zu seiner Familie nach Deutschland fahren könnte. Auch weiß er nicht, woher er die Abschiebungskosten bezahlen sollte, bevor er wieder nach Deutschland darf. Jacqeline wohnt mit den beiden Kindern bei ihren Eltern im Kreis Rotenburg/Wümme.
Astrit:
Er ist 27 Jahre alt und lebt ebenfalls in Brekoc, bei seinem Onkel mit dessen Familie, insgesamt 15 Personen, in einem Haus mit 3 sehr kleinen Räumen. Seine fließende deutsche Sprache und seine solidarische engagierte Umgangsweise mit anderen Kumpels und kids kontrastieren scharf mit dem 3.Welt-Bild seiner Umgebung.
Seit Ende 1991 (im Alter von 9 Jahren) lebte Astrit mit Eltern und Geschwistern in Deutschland, im Saale-Orla-Kreis (Thüringen). Anfangs hatte er in einem anderen Asyl-Lager in Thüringen gelebt, zusammen mit weiteren 5 Geschwistern. Das „Heim“ wurde 1992 oder 93 komplett abgebrannt, die Brandstifter waren Neonazis. Alle dort lebenden Flüchtlinge mussten erneut flüchten, die meisten tauchten vorerst bei Verwandten unter. Als das nicht mehr ging, meldete sich die Familie bei der Ausländerbehörde zurück und wurde in ein anderes „Heim“ gesteckt, ohne Geld und nur mit Gutscheinen und kurzfristigen Duldungen jahrelang dem ständigen Behördendruck ausgesetzt.
Mit 17 Jahren wurde Astrit bereits Vater eines deutschen Kindes, die Mutter war erst 15. Sein Sohn ist heute 10 Jahre alt. Das Sorgerecht wurde ihm, ebenfalls wie seinem jetzigen Freund Leonard, wegen seines nur geduldeten Status und der Minderjährigkeit seiner Frau, vom Jugendamt verweigert. Weil Astrit den Landkreis nicht verlassen durfte, aber andauernd die 35 km zu seiner Freundin und seinem Sohn nach Gera fuhr, und weil er von seinen Gutscheinen keine 10 € Landkreis-Verlassenserlaubnis bezahlen konnte, wurde er immer wieder mit Bußgeldern wegen Verletzung der Residenzpflicht belegt. Weil er die nicht zahlen konnte, kam er schließlich in den Knast. Dort lernte er das Tischlerhandwerk und freute sich schon auf endlich eine bessere Zukunft in Deutschland, als er dann plötzlich (im Januar 2009) und ohne einen cent in der Tasche in ein ihm fremdes Land abgeschoben und obdachlos ausgesetzt wurde.
Astrit und Leonard müssen sich bis heute von den paar cent ernähren, die sie beim Müllsammeln durch den Metall-Verkauf verdienen, oder von Gelegenheitsarbeiten 1 mal pro Woche auf dem Basar, oder auf dem Friedhof. Sie fühlen sich bis heute als Deutsche, das ist ihre Heimatsprache, die sie auch miteinander sprechen, so schnell und slangmäßig wie deutsche kids (in der Nähe von Albanern müssen sie damit vorsichtig sein), und träumen nur davon, wieder in ihre Heimat zurück zu kehren…
Das Interview findet sich hier als PDF.