Das Bundesverfassungsgericht hat die Praxis bei Freiheitsentziehungen im Vorfeld der Abschiebungshaft gerügt (siehe hier). Damit wurde Niedersachsen zum 9. mal innerhalb von 2 Jahren vom Bundesverfassungsgericht kritisiert.
Die Landesregierung sieht in Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen zur Praxis der Abschiebungshaft in Niedersachsen freilich keinen Handlungsbedarf.
Zum Thema hat die HAZ heute einen Bericht veröffentlicht:
Zwei Tage Haft ohne Beschluss des Richters
Hannover. Vorübergehende Festnahmen im Vorfeld von Abschiebungen geschehen meist nachts “ und nicht im Licht der Öffentlichkeit. Doch relativ häufig ist in letzter Zeit das Bundesverfassungsgericht auf den Plan getreten und hat die Praxis von Behörden und Gerichten in Niedersachsen gerügt. Eine offizielle Statistik darüber, in wie vielen Fällen die Abschiebehaft zu Unrecht angeordnet wurde, gibt es zwar nicht. Dafür führt der hannoversche Anwalt Peter Fahlbusch seit sieben Jahren eine – und nach dieser Statistik saß gut ein Drittel seiner Mandanten zu Unrecht in Haft, manchmal nur Stunden, oftmals einen Tag, im Extremfall ein halbes Jahr. Jetzt rügte erneut das höchste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht, die Umstände, unter denen ein illegal eingereister Türke festgenommen wurde. „Innerhalb von zwei Jahren sind niedersächsische Behörden zum neunten Mal von Karlsruhe gerügt worden “ das ist traurig und bundesweit Spitze“, sagt Fahlbusch.
Im jüngsten Fall ging es um einen Türken, der bereits im Jahr 2000 erfolglos einen Asylantrag gestellt hatte, im Jahr 2002 abtauchte und zur Fahndung ausgeschrieben war. Als er vier Jahre später ohne Visum in die Bundesrepublik reiste, um seine Verlobte zu heiraten, griff ihn die Polizei in einer Gastwirtschaft am Sonnabend eine halbe Stunde vor Mitternacht auf “ und führte ihn am darauffolgenden Montag vor den Haftrichter. Der Türke reichte gegen die Umstände seiner Festnahme Klage ein, scheiterte aber 2006 beim Amtsgericht Gifhorn ebenso wie später beim Landgericht Hildesheim.
Doch das Bundesverfassungsricht hob Anfang dieses Monats alle Gerichtsbeschlüsse auf und schärfte den Behörden ein, dass „die Freiheit der Person ein besonders hohes Rechtsgut“ sei. Ob etwa das Polizeigesetz und Gründe der Gefahrenabwehr ausreichten, eine Festnahme „spontan aufgegriffener Ausländer ohne Aufenthaltsrecht“ zu begründen, bleibe eine offene Frage, erklärte Karlsruhe.
„Das ist ein weiterer Beweis für eine desaströse Praxis“, meint Anwalt Fahlbuch. Niemand dürfe zwei Tage lang in einer Polizeizelle „schmoren“, ohne zuvor dem Richter vorgeführt worden zu sein, Und so etwas geschehe wesentlich öfter, als man denkt, sagt Fahlbusch und weist auf seine eigene Statistik: 645 Mandanten hat er seit 2002 vertreten, von denen sich 215 Mandanten zu Unrecht in Haft befanden. Das Landesjustizministerium hat indes die Vorwürfe des Anwalts zurückgewiesen “ umfassend in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen.
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2 Gedanken zu „Rechtswidrige Inhaftierung von Flüchtlingen in Niedersachsen“