Die Bundeskanzlerin drängt die Länder zu verschärfter Abschiebungspolitik
PRO ASYL: Flächendeckende staatliche Rückkehrberatung soll Asylsuchende noch vor Beginn des Verfahrens entmutigen
Die in Teilen erst am 8. Februar bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung für eine mit den Ländern am 9. Februar zu vereinbarende »Rückkehrpolitik« stellen nach Auffassung von PRO ASYL nichts anderes dar, als den Versuch, eine große Zahl von Abschiebungen und erzwungenen »freiwilligen« Ausreisen in kurzer Zeit zu erreichen.
Kompetenzen sollen zentralstaatlich zusammengefasst werden. Dies ist auch ein Einstieg in die Demolierung bislang geltender föderaler Zuständigkeitsverteilungen. Auf der Wunschliste steht die Einrichtung von Bundesausreisezentren, in denen für die letzten Tage oder Wochen des Aufenthalts Bundesbedienstete auf die Ausreisepflichtigen Zugriff haben. Bislang sind für den Vollzug von Abschiebungen vorrangig die Bundesländer zuständig, auch aufgrund der historischen Erfahrung, nach der die Machtkonzentration beim Bund begrenzt werden sollte.
Auch sachlich ist der jetzige Vorstoß nicht begründet. Bei der Prüfung von zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen geht es oft um Sachverhalte, die bundeszentral nicht adäquat geprüft werden können. Wenn etwa medizinische Gründe die Abschiebung in Frage stellen, muss dies in Kooperation mit den behandelnden Ärzten vor Ort beurteilt werden.
Der Bund will den Ländern auch in diesem Zusammenhang aufoktroyieren, vollziehbar Ausreisepflichtige in zentralen Ausreiseeinrichtungen unterzubringen. Wenn man also mit dem Konzept der Bundesausreisezentren nicht durchkommt, sollen die Bundesländer die Idee zu ihrer machen. Die Wahl scheint zu liegen zwischen künftigen »Bundesausreisegefangenen« des Herrn de Maizière und der Ländervariante.
Die Idee der Bundesausreisezentren ist außerdem nicht neu. In der Vergangenheit wurden bereits errichtete Ausreisezentren nach einiger Zeit wieder geschlossen, weil sie keineswegs dazu geführt hatten, eine höhere Zahl von Abschiebungen durchzusetzen.
In Sachen „freiwillige“ Rückkehr wird die Katze aus dem Sack gelassen, der Begriff in übler Weise missbraucht. Eine wirklich freiwillige Rückkehr in menschenwürdiger Weise setzt eine ergebnisoffene Perspektivberatung durch unabhängige Stellen voraus – ganz abgesehen von Verhältnissen in den Herkunftsstaaten, die eine solche Rückkehr möglich machen müssen. Gewollt aber ist genau dies nicht. Es soll eine flächendeckende staatliche Rückkehrberatung geben, die frühzeitig einsetzt, bei Asylsuchenden aus Staaten mit geringer Schutzquote schon unmittelbar nach der Ankunft. Das ist nichts anderes als brutale Entmutigungs- und Vergrämungspolitik gegen Asylsuchende. Die Betroffenen stehen unter Druck, lange bevor das Asylverfahren entschieden ist und damit überhaupt über die Chance im Einzelfall eine Aussage getroffen ist.
Das Programm setzt auf finanzielle Anreize zur Rückkehr. Doch auf die Rückkehrmöglichkeit schon bei der Stellung des Asylantrages massiv hingewiesen zu werden von der Behörde, die für die inhaltliche Entscheidung über den Flüchtlingsschutz zuständig ist, wird bei den betroffenen Flüchtlingen verständlicherweise Misstrauen und Irritationen auslösen. Das Vertrauen in ein faires Verfahren ist erschüttert, wenn das Bundesamt schon vorab die Rückkehr zu befürworten scheint.
Angeblich soll diese frühzeitige staatliche Rückkehrberatung direkt nach Ankunft nur bei Menschen aus Staaten mit geringer Schutzquote gelten. Dies ist nicht glaubhaft, hat doch gerade das Programm „Starthilfe Plus“ der Bundesregierung Zielstaaten wie Syrien, Eritrea oder Afghanistan gelistet. PRO ASYL lehnt die Idee einer de-facto-Zwangsrückkehrberatung von Staats wegen ab.
Das Programm zur freiwilligen Ausreise ist eine Entmutigungsstrategie mit Staffelpreisen: Je früher der Asylantrag zurückgezogen wird, desto höher die Ausreiseförderung.
Weiterhin möchte die Bundeskanzlerin den Bundesländern vorschlagen, ein Gemeinsames Zentrum zur Rückkehr zu schaffen, um Sammelabschiebungen zu koordinieren. Offensichtlich zielt der Plan u.a. darauf ab, Abschiebungen nach Afghanistan noch stärker zu forcieren. Bei den beiden vergangenen Sammelcharter-Flügen zeigte sich, dass einige Bundesländer nicht mit dem Bundesinnenministerium kooperieren wollen und unter Verweis auf Berichte von UNHCR und der UN-Mission UNAMA an der längst überholten Sicherheitsbeurteilung des Bundes zu Afghanistan erhebliche Zweifel haben. Das neue Gemeinsame Zentrum stellt den billigen Versuch dar, die Bedenken der Bundesländer zu umgehen und zentral Abschiebungen umzusetzen – Zwangsvergemeinschaftung nach Berliner Art.
Schließlich soll die Abschiebehaft für Ausländer erleichtert werden, von denen „eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben“ ausgeht. Allerdings ist der Gefährderbegriff bislang selbst im deutschen Strafrecht umstritten, weil unscharf und nur durch abstrakte Generalklauseln gestützt. Die geplante Regelung vermischt unzulässig das Ausländerrecht und das Strafrecht. Die Abschiebehaft erfüllt nur die Funktion, den Vollzug der Ausreise sicherzustellen, sie ist aber gerade keine Strafhaft und darf deswegen auch keine strafrechtlichen Ziele verfolgen. Die geplante Haft für Gefährder darf diese Grundsätze nicht aushebeln. Eine reine Präventivhaft, die nicht auf der Basis konkreter und gerichtlich nachprüfbarer Erkenntnisse verhängt wird, ist grund- und menschenrechtlich unzulässig.
Durchgesickert ist außerdem eine geplante Gesetzesänderung, mit der Überraschungsabschiebungen auch länger hier im Lande Lebender ermöglicht werden sollen. Die bisherige Rechtslage: Wenn Ausreisepflichtige länger als ein Jahr geduldet sind, muss bisher die Duldung mit dem Hinweis auf eine einmonatige Frist förmlich widerrufen werden. Jetzt soll die gesetzlich vorgesehene Frist abgeschafft werden, etwa wenn den Betroffenen vorgeworfen wird, bei der Beseitigung ihres Ausreisehindernisses nicht mitgewirkt und damit ihre Abschiebung verhindert oder verzögert zu haben. In vielen Fällen ist es umstritten, wo die Verantwortung z.B. für die Verzögerung bei der Ausstellung eines Rückreisedokuments liegt. Den Unklarheiten folgt nun der Wegfall der Widerrufsfrist. Das Ziel ist offensichtlich, künftig ahnungslose Betroffene leichter ins Flugzeug bugsieren zu können.
Die ärztliche Begutachtung der Reisefähigkeit bei Rückführungen soll beschleunigt (in der Praxis: auch in der Sache verkürzt) werden. Geplant ist damit, ohnehin schon scharfe Regelungen weiter zu verschärfen.Die Länder sollen mehr Amtsärzte oder vergleichbares ärztliches Personal einsetzen. Schon heute werden als vergleichbares Personal auch zur Begleitung von Rückführungen zum Teil willfährige Honorarärzte eingesetzt, die in der Vergangenheit bereits treffend als „Fachärzte für Abschiebungen“ kritisiert wurden, weil sie sich offenbar eher dem einzigen Ziel „Überleben der Abschiebung“ als dem Patientenwohl und dem Hippokratischen Eid verpflichtet fühlen. Ein Aufschrei großer Teile der Ärzteschaft ist wohl zu erwarten.
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